Die Machbarkeitsstudie zur temporären Seitenstreifen-Freigabe liegt vor
Schon Anfang 2020 wurde von NRW-Verkehrsminister Wüst die damals zuständige Straßen.NRW beauftragt eine Machbarkeitsstudie für eine temporäre Seitenstreifen-Freigabe (TSF) zwischen Hilden und Leverkusen zu erstellen. Im Juni 2022 lag die Studie vor, wurde jedoch von der inzwischen zuständigen Autobahn GmbH nicht öffentlich gemacht und erst im Dezember 2022 als Entscheidungsvorlage dem Bundesverkehrsminister übergeben. Die Machbarkeitsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die TSF mit vertretbarem Aufwand machbar ist. Die wesentlichen Punkte sind folgende:
- Die Fahrbahnen sind auf ganzer Strecke einschließlich der 20 Unterführungen unter anderen Verkehrswegen breit genug zur Einrichtung einer TSF.
- Auf ganzer Fahrbahnbreite einschließlich der Seitenstreifen ist eine ausreichende Tragfähigkeit für Schwerlastverkehr gegeben.
- Von den 16 Brücken über andere Verkehrswege sind nach derzeitigem Stand 5 Brücken zu erneuern bzw. zu verbreitern.
- 27 zusätzliche Nothaltebuchten sind einzurichten.
- Zusätzliche Ein- und Ausfädelungsstreifen bzw. Verlängerungen müssen im Bereich Dreieck Langenfeld, Anschlussstelle Solingen/Langenfeld, Rastanlage Ohligser Heide und Rastplatz Reusrather Heide außen angebaut werden.
- Für diese Maßnahmen wird auf jeden Fall ein Planfeststellungsverfahren erforderlich.
- Die geschätzten Baukosten liegen bei 43 – 59 Mio. €, je nachdem, wie viele Brücken zusätzlich saniert werden müssen.
- Z.Z. geht man davon aus, dass durch die TSF keine zusätzlichen Lärmvorsorgemaßnahmen erforderlich sind.
- Die Inbetriebnahme eines ersten Teilabschnitts kann danach bis 2027 erfolgen, die komplette Strecke bis 2029.
Aber vielleicht hilft da die Anwendung des Planungsbeschleunigungsgesetzes.
WDR Lokalzeit Bergisches Land am 31.1.2023
WDR Aktuelle Stunde am 2.2.2023
Die komplette Machbarkeitsstudie TSF
In der Studie wird allerdings mehrfach die altbekannte Argumentation der Autobahn GmbH wiederholt, dass eine TSF nur möglich im Vorgriff auf den endgültigen Ausbau ist. Dabei beruft sich die Autobahn GmbH auf das über zwei Jahrzehnte alte „Allgemeine Rundschreiben Straßenbau ARS 20/2002“. Inzwischen wurde durch zahlreiche verkehrswissenschaftliche Untersuchungen belegt, dass bei der TSF durch Verstetigung des Verkehrs der Fahrzeugdurchsatz erhöht und das Unfallrisiko verringert wird.
Aktuelle Argumentationshilfe für eine dauerhafte TSF kommt von der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), also der Institution, die für die Richtlinien im Straßenbau zuständig ist. Ende 2022 sind die „Empfehlungen zur Anwendung und Weiterentwicklung von FGSV-Veröffentlichungen im Bereich Verkehr zur Erreichung von Klimaschutzzielen (E Klima 2022)“ veröffentlicht worden. Besonders interessant ist im Anhang der Steckbrief zu den RAA (Richtlinie zur Anlage von Autobahnen). Dort heißt es unter anderem:
„Treibhausgas (THG)-Emissionen und Energieverbrauch sind von den dort gefahrenen Geschwindigkeiten und Fahrmodi abhängig“; (sprich: Wir brauchen eine Geschwindigkeitsreduzierung.)
„Das deutsche Autobahnnetz ist weitgehend realisiert. Schwerpunkte sind die Instandsetzung und Erhaltung des bestehenden Netzes“; (das spricht für sich.)
„Temporäre Seitenstreifenfreigaben und intelligente Verkehrssteuerungssysteme können den Verkehrsfluss verstetigen und im Einzelfall Ausbaubedarf reduzieren“; (der Satz könnte von uns sein. Also keine Rede mehr davon, dass die TSF nur im Vorgriff auf einen endgültigen Ausbau möglich ist.)
„Der Neu- und Ausbau von Autobahnen erfolgt nach gesetzlichen Vorgaben, wobei die Vorgaben vor dem Hintergrund der Erreichung der Klimaschutzziele regelmäßig überprüft werden sollen.“
„In einer THG-Gesamtbetrachtung sind induzierte Verkehre mit einzubeziehen.“
Ebenfalls von der FGSV wurde 2015 das überarbeitete „Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen HBS 2015“ herausgegeben. Darin sind explizit zwei- und dreispurige Fahrbahnen mit TSF als Planungsmöglichkeit für eine dauerhafte Lösung aufgeführt. Die darin enthaltene Tabelle 2 zeigt auch, dass die Kapazitäten von vierspuriger Fahrbahn und dreispuriger Fahrbahn mit TSF gar nicht weit auseinander liegen. Wobei die Baukosten nach heutigen Preisen bei 10 zu 1 liegen dürften.
Schlussbemerkung:
Für die Bürgerinitiative „3reicht!“ ist die temporäre Seitenstreifen-Freigabe nach wie vor nur die zweitbeste Lösung nach der Belassung des derzeitigen Zustands mit telematischer Steuerung zur Strecken- und Netzbeeinflussung. Auch die Dauerzählstellen der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BASt) zeigen nicht die von der Autobahn GmbH beschworene Verkehrszunahme auf der A3 zwischen Opladen und Hilden: